Caritas: Faire Pflegelöhne jetzt!

Faire Löhne für harte Arbeit – das verwehrt die Caritas Hunderttausenden Menschen, die in der Pflege arbeiten. Der katholische Wohlfahrtsverband blockiert einen dringend benötigten Tarifvertrag, pocht aber sonst auf christliche Werte und Nächstenliebe. 200.000 Unterzeichner*innen forderten mit Campact, dass die Caritas faire Pflegelöhne nicht länger verhindert. Lies hier mehr über die Kampagne.

Eine ältere Person mit Rollator wird von hinten abgebildet. Neben dieser Person steht eine Pflegekraft, die die Person mit Rollator stützt
Blog Caritas, wir müssen sprechen Wenig Lohn, harte Arbeitszeiten, kaum Anerkennung – in der Altenpflege üblich. Ein bundesweiter Tarifvertrag sollte das ändern, doch die Caritas blockiert ihn. Erfahre, wie die Caritas auf unseren Protest reagiert hat. Mehr erfahren

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5-Minuten-Info

Die Altenpflege in Deutschland wird von verschiedenen Einrichtungen gestemmt: von kirchlichen Wohlfahrtsverbänden wie Caritas und Diakonie, weltlichen wie AWO oder DRK, kommunalen Trägern und – in immer größerem Anteil – von kommerziellen Unternehmen. Fast die Hälfte aller Pflegeeinrichtungen ist bereits in privater Hand. In der Corona-Krise wird gerade sehr deutlich, wie wichtig und belastend die Arbeit von Pfleger*innen ist. Doch die Arbeitsbedingungen sind ungleich: Während die kirchlichen, staatlichen und die Wohlfahrtsverbände zumeist angemessene Löhne zahlen, arbeiten in der privaten Altenpflege Hunderttausende für Mindestlohn.

Weil unsere Gesellschaft immer älter wird, ist die Altenpflege ein wachsender Markt. Und somit interessant für Investor*innen. Diese wollen ihre Einrichtungen möglichst profitorientiert führen. Bezahlung über Mindestlohnniveau, zusätzlicher Urlaub oder gar Urlaubsgeld – das passt nicht ins Geschäftsmodell. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD), ein Verband von Arbeitgeber*innen in der Altenpflege und die Gewerkschaft Ver.di wollen das ändern: mit einem allgemeinverbindlichen, also mittels Rechtsverordnung für alle Pflegeeinrichtungen geltenden, Tarifvertrag. Darin wird ein Lohn festgelegt, der allen Angestellten in der Altenpflege mindestens zustehen soll – und den auch die privaten Unternehmen zahlen müssen.

Der allgemeinverbindliche Tarifvertrag soll für alle 1,2 Millionen Beschäftigten in der Altenpflege gelten. Fachkräfte würden damit ab dem 1. August dieses Jahres einen Brutto-Stundenlohn von 16,10 Euro bekommen, Hilfskräfte 12,40 Euro – mit Steigerungen bis 2023 auf bis 18,75 Euro. Alle Pflegekräfte sollten zudem einen Anspruch auf 28 Urlaubstage bekommen und 500 Euro Urlaubsgeld. Davon würden vor allem Beschäftigte in kommerziellen Pflegeeinrichtungen profitieren – und hier wiederum diejenigen, die am unteren Ende der Lohnskala stehen: Hilfskräfte, Neueinsteiger*innen und Pflegekräfte in den neuen Bundesländern, wo die Löhne aktuell oft besonders niedrig sind.

85 Prozent der Beschäftigten in der Altenpflege sind Frauen, deshalb würde ein Tarifvertrag auch zu mehr Geschlechtergerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt beitragen.

Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat sich vorgenommen, die Arbeitsbedingungen in der Altenpflege zu verbessern. Doch er kann sie nicht einfach per Gesetz beschließen. Im Sinne der Tarifautonomie braucht es dazu eine Einigung zwischen Gewerkschaft und Arbeitgeber*innen: einen Tarifvertrag. Den hat Ver.di mit dem eher kleinen Arbeitgeberverband BVAP im Januar abgeschlossen. Und Heil wollte ihn für allgemeinverbindlich erklären, damit er für die ganze Branche gilt. Die Voraussetzung dafür: Ein Großteil der Arbeitgeber im Bereich Altenpflege steht hinter dem Vorhaben. Weil die meisten der privaten Träger da nicht mitmachen wollen, müssen also möglichst alle anderen zustimmen – vor allem die großen kirchlichen Träger Diakonie und Caritas, die 30 Prozent aller Altenpfleger*innen beschäftigen. Da die kirchlichen Arbeitgeber aber auf dem „Dritten Weg“, also dem kirchlichen Sonderarbeitsrecht, beharren, sind sie bei den Tarifverhandlungen nicht dabei. Sie müssen aber laut Gesetz dem Antrag auf flächendeckende Erstreckung des Tarifvertrags zustimmen, nachdem sie dazu angehört wurden.

In der Caritas entscheidet die Arbeitsrechtliche Kommission über die Zustimmung zur Erstreckung des Tarifvertrags. Hier sitzen die sogenannte Dienstgeberseite und die Dienstnehmerseite zusammen. Nur mit der Zustimmung der Arbeitgeberseite der Kommission kann der Tarifvertrag allgemeinverbindlich werden, sodass auch Angestellte bei privaten Pflegeeinrichtungen und -diensten davon profitieren. Die beiden großen kirchlichen Träger, Diakonie und Caritas, wurden von Ver.di zum Tarifvertrag angehört und haben signalisiert, dass sie unter Berücksichtigung einiger Änderungen zustimmen würden. Entsprechend wurde der Tarifvertrag nachverhandelt. Das Nein der Caritas kam deshalb sehr überraschend. Die Diakonie hat ihre Abstimmung daraufhin erst einmal ausgesetzt.

Die Caritas zahlt bereits Löhne, die auf oder sogar über dem verhandelten Tarifniveau im öffentlichen Dienst (TVöD) liegen – also deutlich mehr als private Anbieter. Die Löhne und andere Arbeitsbedingungen setzt die Caritas in einem eigenen Verfahren ohne gewerkschaftliche Beteiligung fest. Private Unternehmen machen das aber nicht: Sie zahlen oft gerade mal den Mindestlohn. Mit dem Votum gegen den Tarifvertrag schadet die Caritas den Hunderttausenden Pflegekräften in privaten Einrichtungen. Caritas-Mitarbeiter*innen haben sich öffentlich für den Tarifvertrag ausgesprochen: Sie wollen, dass alle Kolleg*innen gut bezahlt werden – und sehen jetzt auch das Image ihres katholischen Arbeitgebers in Gefahr. Deutschlands katholische Sozialethiker*innen haben in einem Statement geschrieben, die Entscheidung „untergräbt die Gemeinwohlorientierung der Caritas“.

Die guten Arbeitsstandards bei der Caritas wären durch den Tarifvertrag übrigens nicht in Gefahr: Der Tariflohn ist nur eine Untergrenze. Beschäftigte von Caritas und Diakonie könnten also auch zukünftig übertarifliche Löhne erhalten. Dass die Dienstgeber der Caritas den Tarifvertrag ablehnen, hat wohl einen anderen Grund: Sie sehen ihre Sonderregelungen im Arbeitsrecht in Gefahr: Für Kirchenverbände gilt der sogenannte „Dritte Weg“, in dem Gewerkschaften kaum Mitsprache haben und das Streikrecht für Beschäftigte eingeschränkt ist. Und: Sie setzen auf Wettbewerb und wollen im Werben um Pflegekräfte ihren Vorteil behalten.

Pflegemarkt: Anzahl und Statistik der Pflegeheime in Deutschland

Zeit Online: „Wir führen in der Pflege nicht den Sozialismus ein“, 15. August 2018

Ver.di: „Altenpflege: Mehr als scheinheilig“, 26. Februar 2021

Zeit Online: „Die von der Kirche machen nicht mit“, 25. Februar 2021

Tagesspiegel: „Caritas blockiert Allgemeinverbindlichkeit“, 25. Februar 2021

Zeit Online: „Caritas lehnt flächendeckenden Tarifvertrag für Altenpflege ab“, 25. Februar 2021

Lies hier mehr zum Thema Arbeit und Soziales im Blog

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