Chat-Kontrolle: Der Staat in Deinem Handy

Anlasslose Chat-Überwachung von privaten Nachrichten und Bildern durch den Staat – das drohte durch ein EU-Gesetz. Über 165.000 Campact-Unterstützer*innen stellten sich mit einem Appell gegen die Überwachungspläne. Gemeinsam können wir einen Etappensieg feiern: Vorerst wird es keine anlasslose und massenhafte Chat-Kontrolle in der EU geben!

Illustration zum Campact-Appell "Chatüberwachung stoppen!" Eine Hand hält ein Handy auf dem ein Messenger-Verlauf zu sehen ist, daneben ist eine Überwachungskamera die das aufzeichnet.

Urlaubsfotos, Liebesnachrichten, Geschäftsabsprachen: All das hätten Polizeibehörden in Zukunft mitlesen können. Denn die EU-Kommission plante, dass unsere Chats sowie verschickten Bilder und Videos künftig ausgespäht werden können – automatisch, ohne Verdacht. Was als Maßnahme gegen die Darstellung von Kindesmissbrauch gedacht war, drohte zum Mittel zur Totalüberwachung zu werden. Gemeinsam mit Vereinen wie Digitalcourage, Digitale Gesellschaft und Digitale Freiheit haben wir uns gegen die Chat-Kontrolle gestellt und einen Appell gestartet.

Protest gegen Chat-Überwachung

Im Mai 2022 haben wir unseren Protest direkt zur Innenministerin gebracht: Bei einem EU-Treffen in Königstein warteten wir mit riesigen Handy-Aufstellern auf Nancy Faeser (SPD). Auf den Displays waren Protest-SMS zu lesen, die Hunderte Campact-Unterstützer*innen zuvor an die Ministerin verfasst hatten. In der Ampel gab es immer wieder Streit um die deutsche Position. Innenministerin Nancy Faeser rückte von ihrem Ja zur Chat-Kontrolle nur zaghaft ab.

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Etappensieg: Vorerst keine verpflichtende Chat-Kontrolle

Im Dezember 2023 wurde dann klar: Die EU-Staaten schaffen es nicht, sich auf eine gemeinsame Position zur Chat-Kontrolle zu verständigen, die notwendige Zeit für eine Einigung läuft ab. In dieser Legislaturperiode, die mit der EU-Wahl im Juni 2024 endet, wird das Gesetz wohl nicht mehr beschlossen. Natürlich bleiben wir bei Campact weiter am Thema dran – folge uns jetzt, um auf dem Laufenden zu bleiben!

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Aktuelles zum Thema Datenschutz im Campact-Blog

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5-Minuten-Info: Darum ging es bei der Chat-Kontrolle

Die EU-Kommission sieht vor, dass der Staat Chat-Nachrichten überwachen lässt – pauschal und ohne konkreten Verdacht. Konzerne wären dann verpflichtet, ihre eigenen Nutzer*innen auszuspähen, indem sie Nachrichten, Bilder und Videos mit Hilfe von künstlicher Intelligenz auf Straftaten untersuchen und vermeintlich verdächtige Inhalte an Polizeibehörden schicken. Das ist ein massiver Angriff auf unsere digitale Privatsphäre: Auf WhatsApp, Signal, Telegram und Co würden die Nachrichten von Millionen unschuldiger Menschen auf verbotene Inhalte gescannt. Dabei ist unvermeidbar, dass auch harmlose Bilder und Nachrichten bei den Behörden landen. In Gesprächen per Brief schützt das Grundgesetz das Briefgeheimnis vor Überwachung. Doch bei digitalen Gesprächen wäre das ausgehebelt. Privatsphäre und Datenschutz auf dem Handy wären kaum noch möglich.

Eigentlich sollen die EU-Pläne verhindern, dass Darstellungen von sexualisierter Gewalt gegen Kinder im Netz verbreitet werden. Doch in der Praxis sind die Pläne kaum wirksam: Täter*innen nutzen selten Messenger-Dienste wie WhatsApp und Co, sondern eher Foren oder Online-Speicherdienste. Die Pläne zur Chat-Überwachung gehen damit an der Realität vorbei. Stattdessen würde die EU Berge an harmlosen Bildern und Nachrichten anhäufen. Polizei und Ermittler*innen könnten diese Masse an Daten kaum wirksam kontrollieren und verfolgen. Ohne Fragen gehören Kinder besser vor sexualisierter Gewalt geschützt. So werden zwar Betreiber*innen von Austauschforen regelmäßig gefasst, doch die Inhalte bleiben noch Monate nach der Verhaftung online. Das Bundeskriminalamt könnte sofort anfangen, solche Bilder löschen zu lassen. Nicht nur im Netz, sondern auch offline brauchen Kinder mehr Schutz. Gut ausgestattete Jugendämter mit geschulten Mitarbeiter*innen müssen für Kinder erreichbar sein und bei Verdachtsfällen sofort die Initiative ergreifen können.

Die EU-Kommission hat den Gesetzentwurf am 11. Mai 2022 vorgestellt. Jetzt wird dieser Entwurf vom EU-Parlament und den Mitgliedstaaten diskutiert; für die Länder verhandeln die zuständigen Minister*innen. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) vertritt dabei Deutschland. Als Ministerin des größten EU-Landes hat ihre Stimme viel Gewicht. Dies muss sie jetzt nutzen, um die drohende Totalüberwachung von mehr als 440 Millionen EU-Bürger*innen zu verhindern. Schließlich hatte die Ampel-Regierung im Koalitionsvertrag noch versprochen: Wir bekommen ein Recht auf verschlüsselte – also private – Chats.

Mit der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung können nur Sender*in und Empfänger*in eine Nachricht lesen. Selbst WhatsApp hat keinen Zugriff auf die Nachrichten der eigenen Nutzer*innen. Dass diese Technik mittlerweile so verbreitet ist, ist eine enorme Errungenschaft für den Datenschutz und für die private Online-Kommunikation. Eine Chat-Überwachung muss diese Ende-zu-Ende-Verschlüsselung aufweichen – und schwächt damit automatisch die digitale Privatsphäre von uns allen. Denn gezielt nur die Verschlüsselung für bestimmte, mutmaßlich kriminelle Nutzer*innen zu schwächen, das ist technisch nicht möglich.

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