Lobbytransparenz: Durchblick muss her
Luxusreisen, Aktienoptionen und ein Direktorenposten: Der CDU-Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor manövrierte sich im Juni 2020 in einen Skandal – weil er für eine dubiose Softwarefirma lobbyiert hat. Für über 178.000 Menschen war klar: Wir brauchen endlich ein Lobbyregister!
Der Fall Philipp Amthor, der Einsatz von Karl-Theodor zu Guttenberg für Wirecard oder der „Beratungsauftrag“ von Sigmar Gabriel für Tönnies – diese Lobby-Skandale haben eins gemeinsam: Sie kamen erst durch Recherchen von Journalist*innen ans Licht. Lobbyismus in Deutschland ist noch immer undurchsichtig. Über 178.000 Menschen forderten daher gemeinsam mit Campact: Wir brauchen endlich ein Lobbyregister! CDU und CSU haben das jahrelang verhindert, genau wie die Offenlegung aller Nebeneinkünfte von Abgeordneten und einen Lobby-Fußabdruck bei der Gesetzgebung.
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Über 178.000 Menschen unterzeichneten für mehr Lobbytransparenz
Wir nutzten den Amthor-Skandal, um die Union zum Einlenken zu bewegen. In den Wahlkreisen der entscheidenden Abgeordneten schalteten wir Anzeigen in Lokalzeitungen. Und Tausende Campact-Unterstützer*innen schrieben E-Mails an ihre Unions-Bundestagsabgeordneten. Die Botschaft: Keine halben Sachen bei der Lobbytransparenz!
Erfolg: Das Lobbyregister kommt!
Ende März 2021 beschloss der Bundestag das lang geforderte Register. Dort müssen Lobbyist*innen eintragen, in wessen Auftrag und mit welchem Budget sie Einfluss auf die Politik nehmen. Im Koalitionsvertrag der Ampel ist verankert, dieses Gesetz nachzuschärfen und Schlupflöcher zu schließen. Viele unserer offenen Forderungen wurden aufgegriffen. Ein riesiger Erfolg für die Zivilgesellschaft! 15 Jahre lang hat unsere Bürgerbewegung für mehr Lobbytransparenz gekämpft – und nun zahlt sich unser Einsatz aus. Natürlich machen wir bei Campact weiter, bis alle Forderungen umgesetzt sind. Schließe Dich jetzt an und trage Dich für den Newsletter ein, um bei allen Aktionen dabei zu sein – oder schaue Dich im Blog um und werde aktiv!
Frisch gebloggt: Lobbyismus
5-Minuten-Info
Als „spannendes und politisch vielversprechendes Investitionsvorhaben“ bewarb der CDU-Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor bei Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) mehrmals die Software-Firma Augustus Intelligence. Und organisierte mit großem Einsatz Treffen zwischen dem Bundeswirtschaftsministerium und der Software-Firma. Der Skandal: Amthor erhielt einen Direktorenposten und Aktienoptionen – das heißt, er hätte profitiert, wenn die US-amerikanische Firma an der Börse erfolgreich ist. Außerdem ist die Rede von Luxusreisen mit den Firmenchefs – wer sie bezahlt hat, ist unklar.
Die Beratung durch Interessenverbände gehört zum politischen Alltag. Sie ist fester Bestandteil im Gesetzgebungsprozess, etwa wenn Expert*innen in Ausschüsse eingeladen werden. Das ist grundsätzlich legitim und sinnvoll. Auch Campact versucht, Politik in eine progressive Richtung zu beeinflussen. Viele Lobbyist*innen setzen sich jedoch nicht für das Allgemeinwohl ein. Im Gegenteil: Sie lobbyieren für den materiellen Vorteil ihres meist aus der Wirtschaft kommenden Auftraggebers und haben oft viel Geld zur Verfügung. Ein seltener, aber dafür höchst problematischer Fall: wenn sich Politiker*innen aus der Zusammenarbeit mit Lobbyist*innen oder Unternehmen einen persönlichen Vorteil wie eine lukrative Nebentätigkeit oder Aktienoptionen verschaffen. Hier kann leicht der Eindruck der Käuflichkeit entstehen. Menschen verlieren so das Vertrauen in Politik und Demokratie. Das wirksamste Gegenmittel: mehr Lobby-Transparenz. Denn die erschwert die verdeckte Einflussnahme durch Lobbyist*innen und macht Verflechtungen für alle Bürger*innen sichtbar.
Um Lobby-Arbeit nachvollziehbar und kontrollierbar zu machen, fordert Campact strengere Transparenz-Regeln:
- Die vollständige Offenlegung der Nebeneinkünfte von Abgeordneten, die sie aus der Wirtschaft und von Interessenverbänden erhalten. Auch Aktienoptionen müssen offengelegt werden – denn gerade hier profitieren Politiker*innen, wenn ein Unternehmen durch ihre Einflussnahme besonders erfolgreich wird.
- Die Einführung eines „Legislativen Fußabdrucks“: In einem öffentlichen Lobby-Kalender müssen alle Termine, die zwischen Abgeordneten, Beamt*innen und Minister*innen einerseits und Lobby-Vertreter*innen andererseits zu einem Gesetzgebungsprozess stattgefunden haben, zeitnah veröffentlicht werden.
- Ein verbindliches Lobby-Register, in dem Lobbyist*innen Auskunft geben müssen, in wessen Auftrag sie zu welchem Thema mit welchem Budget arbeiten. Wie so ein Lobby-Register funktioniert, wird in diesem Video erklärt.
Nein. Bislang können Abgeordnete nebenbei Geld verdienen, ohne dass es eine Obergrenze gibt. Seit 2007 müssen sie ihre Nebeneinkünfte zwar veröffentlichen – allerdings gibt es Lücken im Gesetz, etwa für Anwält*innen. Die Angaben der Abgeordneten werden jedoch kaum kontrolliert. Aktienoptionen müssen bisher nicht offengelegt werden, da sie nicht als Nebeneinkünfte gelten. Ein verbindliches Lobby-Register gibt es bisher nicht. Die Verbändeliste des Deutschen Bundestags reicht nicht aus: sie ist freiwillig, führt keine Kanzleien oder Konzerne auf und ist kaum mehr als ein Telefonbuch existierender Interessenverbände.
Trotz Absichtserklärungen: In den vergangenen Legislaturperioden haben vor allem CDU und CSU jede Initiative hin zu mehr Transparenz im Lobbyismus ausgebremst. Beispiel Lobby-Register: Die Grünen machen sich schon lange für ein verpflichtendes Lobby-Register stark, unter anderem mit eigenen Anträgen. SPD und Linke fordern ebenfalls ein Lobby-Register. Selbst die FDP, die von dem Thema lange nichts wissen wollte, hat nun einen eigenen Antrag in den Bundestag eingebracht, in dem sie mehr Transparenz und strengere Regeln für die politische Interessenvertretung fordert.
Ob Kanada, Frankreich oder Irland – viele Länder sind uns mit der Einführung eines Lobby-Registers einen wichtigen Schritt voraus. Sogar die USA – sonst eher bekannt für ungezügelten Lobbyismus – haben schon seit Jahrzehnten ein Lobby-Register.
Inspirieren lassen kann sich Deutschland auch vom EU-Transparenzregister. Zwar ist hier die Eintragung freiwillig, aber es gibt starke Anreize, das zu tun: Die EU-Kommission hat sich verpflichtet, sich nur mit eingetragenen Lobbyist*innen zu treffen.
Nachzügler ist Deutschland auch in Sachen Korruption: Als letztes Land in der EU hat Deutschland die UN-Konvention gegen Korruption umgesetzt. LobbyControl, Transparency International und Campact setzen sich dafür seit Jahren ein. Das zeigt: Unser Protest wirkt – auch wenn wir manchmal einen langen Atem brauchen!
Gesetzentwurf von LobbyControl und Abgeordnetenwatch.de für ein Lobbyregister, 6. Februar 2017
Lobbyismus-Lexikon Lobbypedia