Gerechte Handelspolitik und Finanzpolitik
Riesige Demos, Hunderttausende Unterschriften und Hintergrundstudien: Campact setzt sich seit Jahren für eine gerechte Handels- und Finanzpolitik ein. Wirtschaftsverträge wie TTIP, CETA oder das EU-Mercosur-Abkommen beeinflussen Staaten, Menschen und die Umwelt. Campact fordert daher eine alternative Handels- und Finanzpolitik. Ein Überblick über unsere Erfolge und Appelle.

Appelle und Aktionen
Warum Hunderttausende gegen Handelsabkommen wie TTIP, CETA, EU-Mercosur & Co. protestierten
„Stoppt TTIP! Stoppt CETA!“ – mit diesen Rufen gingen vor einigen Jahren Hunderttausende Menschen in Deutschland und Europa auf die Straße. Ein breiter Zusammenschluss aus Umweltgruppen, Gewerkschaften und Bürgerinitiativen machte seinem Unmut Luft. Doch warum dieser Protest?
Bei Handelsabkommen wie TTIP oder CETA geht es um weit mehr als um den bloßen Handel zwischen Staaten. Die Menschen wehren sich gegen diese Abkommen, weil sie wissen: Handelsabkommen regeln heute nicht nur Zölle oder Einfuhrmengen. Sie bestimmen, wie unsere Wirtschaft funktioniert, wie Produkte und Lebensmittel hergestellt werden, welche Ressourcen genutzt werden, wer wie davon profitiert und unter welchen Bedingungen wir konsumieren.
Während solche Verträge eigentlich den Handel zwischen Staaten erleichtern sollten, stehen oft die Interessen großer Konzerne im Fokus. Abkommen wie TTIP, CETA oder auch das EU-Mercosur-Abkommen schaffen Bedingungen, die den globalen Markt für Unternehmen noch profitabler machen sollen – häufig auf Kosten von Umwelt- und Sozialstandards.
Alle Handelsabkommen im Überblick
Der Energiecharta-Vertrag ist ein multilaterales Handelsabkommen – international wird es als Energy Charter Treaty bezeichnet, kurz ECT. Ursprünglich sollte der 30 Jahre alte Pakt Investitionen in Staaten ohne funktionierende Rechtssysteme absichern und vor willkürlichen Enteignungen schützen.
Der Energiecharta-Vertrag gibt ausländischen Energiekonzernen umfassende Sonderklagerechte gegen Staaten. Zum Beispiel, wenn demokratisch beschlossene Gesetze ihre Gewinnerwartungen schmälern. Diese Klagen werden nicht vor ordentlichen Gerichten verhandelt, sondern vor geheim tagenden Schiedsgerichten.
Der Energiecharta-Vertrag dient Energiekonzernen damit heute vor allem als Instrument, um ambitionierte Klimaschutzpolitik zu bremsen und um finanziellen Ausgleich für Fehlinvestitionen zu erstreiten. Derzeit hat der Pakt 53 Mitglieder – von Europa über Zentralasien bis Japan.
Zwischen April 2020 und Juni 2022 wurde in Brüssel über eine Reform des Vertrags verhandelt. Das Ergebnis fällt deutlich hinter die Ziele von Bundesregierung und EU zurück: Der ECT wird in der EU auch zukünftig Investitionen in fossile Brennstoffe bis mindestens 2033 schützen und so ein schwerwiegendes Hindernis für die Beschleunigung der Energiewende darstellen. Außerhalb der EU und Großbritanniens sollen gar keine Beschränkungen für den Investitionsschutz in fossile Brennstoffe gelten. Nun muss die Bundesregierung Konsequenzen ziehen und die Reform bei der EU-Rats-Abstimmung für gescheitert erklären.
CETA („Comprehensive Economic and Trade Agreement“) ist ein Handels- und Investitionsabkommen der EU mit Kanada nach dem Vorbild von TTIP. CETA ist in der Tat „umfassend“. Denn nicht nur Zölle sollen abgebaut werden – auch Regeln, die dem Handel vermeintlich im Weg stehen, werden aufgeweicht.
Seit 2017 wird CETA bereits vorläufig angewendet. 2022 hatte der Bundestag der Ratifizierung zugestimmt – was jedoch nicht automatisch bedeutet, dass das Abkommen vollständig in Kraft tritt. Denn weiterhin fehlt die Zustimmung von über zehn EU-Mitgliedstaaten. Besonders umstritten bleibt der Mechanismus für Investorenklagen (ISDS): Durch ein spezielles Schiedsgericht könnten Konzerne Staaten verklagen – wir Steuerzahler*innen müssten im Ernstfall für hohe Entschädigungen aufkommen. Eine Interpretationserklärung soll zwar die möglichen Klagegründe einschränken, doch sie ist noch nicht endgültig verabschiedet. Die Grünen, einst vehemente Gegner*innen von CETA, stimmten dem Abkommen zu – allerdings unter der Bedingung zahlreicher handelspolitischer Zugeständnisse der Koalitionspartner. Neben Deutschland haben bislang elf weitere EU-Staaten CETA nicht vollständig ratifiziert.
Ein günstiges Steak, die Sojamilch im Kühlschrank oder die Packung Kaffee – auf den ersten Blick ganz normale Produkte aus dem Supermarkt. Doch was viele nicht wissen: Ihre Produktion ist oft mit fatalen Folgen für Menschen, Umwelt und Klima verbunden. Agrarkonzerne brennen im Amazonas jedes Jahr riesige Flächen Regenwald ab, um Platz für Viehweiden und Sojaanbau zu schaffen. Dabei verlieren unzählige Tiere ihren Lebensraum und die abgeholzten Flächen setzen Unmengen an CO2 frei.
Das EU-Mercosur-Abkommen soll den Handel mit Soja, Fleisch und anderen Rohstoffen zwischen der EU und Ländern wie Brasilien, Kolumbien und Venezuela erleichtern. Nach vielen Jahren sind die Verhandlungen um das Freihandelsabkommen seit Anfang Dezember abgeschlossen. Damit das Abkommen wirklich in Kraft treten kann, muss im nächsten Schritt der EU-Rat über das Abkommen abstimmen. Profitieren werden vor allem große Unternehmen, die ihre Einnahmen erhöhen. Und die Politik ignoriert dabei, welche Schäden dieses Abkommen anrichtet:
- Produkte mit fragwürdigen Produktionsstandards (z.B. mithilfe von Maschinen und Pestiziden, die in Europa längst verboten sind) landen in unseren Supermärkten.
- Es besteht die Gefahr, dass regionale Produzenten in der EU mit den niedrigen Preisen nicht mithalten könnten.
- Soziale Ungleichheit und Umweltzerstörung in Lateinamerika nehmen weiter zu.
Statt regionale Lösungen oder eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den Ländern zu fördern, wird die Abhängigkeit von globalen Märkten vergrößert. Deshalb forderte Campact zusammen mit mehr als 500.000 Menschen: Mercosur stoppen, Amazonas retten!
TiSA, kurz für „Trade in Services Agreement“, sollte ein Abkommen zum Handel mit Dienstleistungen werden, das zwischen der EU und 22 weiteren Staaten verhandelt wurde; darunter die USA, Australien, Kanada und die Türkei. Das TiSA-Abkommen ist gescheitert – ein riesiger Erfolg für die aktive Zivilgesellschaft!
Einer der größten Kritikpunkte an dem Abkommen war seine „Stillstandsklausel“, die den aktuellen Stand der Liberalisierung von Dienstleistungen in jedem Land zementiert hätte. Alle bisherigen und zukünftigen Maßnahmen zur Liberalisierung von Dienstleistungen wären nicht mehr zurückzunehmen gewesen.
Auch den Datenschutz hätte TiSA ausgehöhlt. Konzerne wie Amazon, Facebook und Google hätten Nutzer*innendaten in Länder übermitteln können, in denen geringere Datenschutzstandards gelten als in der EU, um sie dort für ihre eigenen Profite zu nutzen.
JEFTA, das Handelsabkommen zwischen Japan und der EU, ist 2019 trotz großer Proteste in Kraft getreten. Mit dem Abkommen darf die EU mehr Fleisch, Wein und Käse nach Japan exportieren. Dafür wurden deutsche Einfuhrzölle für japanische Kraftfahrzeuge gesenkt.
JEFTA birgt, trotz verschiedener Schutzklauseln, zahlreiche Risiken für die Daseinsvorsorge. Das zeigt eine Studie, die von Campact in Auftrag gegeben wurde. Steigende Trinkwasserpreise für schlechteres Wasser, die Zerstörung der Umwelt durch Gasbohrungen und Datenspeicherung im großen Stil sind nur einige davon.
JEFTA enthält keine Regelungen zu Schiedsgerichten oder Investitionsschutz. Beides wurde in ein separates Abkommen verlagert. JEFTA musste deshalb nicht von den Mitgliedsländern verabschiedet werden, sondern nur vom EU-Parlament.
Das Transatlantic-Trade-and-Investment-Partnership-Abkommen, TTIP, ist kein klassisches Freihandelsabkommen. Es geht nicht um die Abschaffung von Zöllen und Handelsschranken, weil es die zwischen Europa und den USA kaum noch gibt. Ziel ist vielmehr der Abbau von so genannten „nicht-tarifären Handelshemmnissen“. Als Handelshemmnis können die Vertragspartner alles definieren: Verbraucherschutz, Kennzeichnungspflicht, Datenschutz, Arbeitnehmerrechte.
Richtig gefährlich wird TTIP, wenn es erst einmal in Kraft ist. US-Konzerne können dann europäische Staaten verklagen, wenn deren Gesetze ihre Gewinne schmälern. Die Urteile fällen keine Richter, sondern von den Konzernen selbst ausgewählte Wirtschaftsanwälte. Schon die Drohung solcher Klagen kann reichen, um unliebsame Gesetze aus der Welt zu schaffen. Die verhängten Schadensersatzzahlungen können Staaten in den Ruin treiben.
Folge Campact
Investitionsschutz und private Schiedsgerichte
Viele Handelsabkommen erlauben es Unternehmen, Staaten vor privaten Schiedsgerichten zu verklagen, wenn politische Entscheidungen ihre Gewinne schmälern. Diese Verfahren laufen oft hinter verschlossenen Türen ab, und die Urteile sind unanfechtbar. Die Folgen sind gravierend: Große Unternehmen nutzen ihre Sonderrechte aus Handelsabkommen, um Gesetze zu blockieren, die Mensch und Natur schützen sollen. Werden doch wichtige Maßnahmen gegen Umweltzerstörung, Klimakrise oder für sichere Arbeitsbedingungen ergriffen, müssen Staaten oft Milliarden an Entschädigungen an die Unternehmen zahlen.
Der Multilaterale Investitionsgerichtshof ist eine exklusive Paralleljustiz zugunsten großer Konzerne. Von der EU-Kommission wird er als großer Fortschritt verkauft. Dabei schreibt er das System der ungerechten Sonderklagerechte (ISDS) für Konzerne nur auf Jahrzehnte fest.
Wie Schiedsgerichte die Klimapolitik beeinflussen
Beschließt ein Land, klimaschädliche Kohle- oder Atomkraftwerke abzuschalten, um die Umwelt zu schützen, können Energiekonzerne es auf Schadensersatz verklagen, wenn sie ihre Gewinne bedroht sehen. 2014 verklagte Vattenfall die Bundesrepublik vor dem Internationalen Schiedsgericht für Investitionsstreitigkeiten (ICSID) in Washington auf 4,7 Milliarden Euro.
Der Grund war der beschleunigte Atomausstieg der Bundesregierung im Juni 2011 nach dem katastrophalen Reaktorunfall von Fukushima. Vattenfall argumentierte, dass das Unternehmen durch den Ausstieg erheblich an Wert verlieren würde. Erst Ende 2021 wurde das Schiedsverfahren beendet: Der Energie-Riese erhielt von der Bundesregierung eine Entschädigungszahlung von über 1,4 Milliarden Euro.
Im Sinne der Konzerne
Um die Kritik an den privaten Schiedsgerichten zu entschärfen, schlug die EU-Kommission 2015 vor, einen multilateralen Investitionsgerichtshof (MIC) zu schaffen. Dieser sollte transparenter arbeiten und statt privater Anwält*innen unabhängige Richter*innen einsetzen. Doch die grundlegenden Probleme bleiben: Auch der MIC räumt Unternehmen Sonderrechte ein, die politische Maßnahmen gefährden könnten – sei es durch Klagen gegen Umweltschutzgesetze oder gegen die Einführung fairer Preise für Energie und Waren.
Solche Strukturen führen klar zu steigenden Kosten für Staaten und Umwelt, während Unternehmen ihre Marktposition weiter stärken und immer reicher werden. Ein Bericht des Transnational Instituts (TNI) zeigt, dass besonders Staaten wie Venezuela, Peru und Ecuador unter den Sonderrechten für Unternehmen leiden. Doch die Probleme reichen weit über diese Länder hinaus – sie betreffen die Lebensgewohnheiten aller Menschen. Die Politik steht vor der dringenden Aufgabe, Lösungen zu finden, die den Schutz von Klima, Tieren und Menschen über die Interessen der Industrie stellen.
Ein wichtiger Schritt zu einer progressiven Handels- und Finanzpolitik besteht darin, Sonderklagerechte für Konzerne abzuschaffen und faire Handelsstandards einzuführen – genau das forderten Hunderttausende gemeinsam mit Campact.
Lobbyismus: Die Macht der Unternehmen
Wenn Interessengruppen wie Software-Firmen, Energiekonzerne oder Automobilhersteller versuchen Politiker*innen zu beeinflussen, ist das Lobbyismus. Unternehmen oder Einzelpersonen wollen politische Entscheidungen in ihrem Sinne lenken. Auch Campact macht Lobbyarbeit, indem wir versuchen, Politik in eine progressive Richtung zu beeinflussen.
Problematisch wird Lobbyarbeit dann, wenn mächtige Akteure zu viel Einfluss gewinnen. Beim TTIP-Abkommen nutzten Wirtschaftslobbies ihre finanziellen Mittel, um Zugang zu politischen Entscheidungsträger*innen zu erlangen und diese in ihrem Sinne zu beeinflussen.
Diese Einflussnahme gefährdet die Demokratie, da finanzstarke Unternehmenslobbies auf diese Weise Politik mitgestalten, während zivilgesellschaftliche Organisationen mit weniger Ressourcen, die für das öffentliche Interesse streiten, oft kaum gehört werden. Entscheidungsprozesse sind so nicht nur intransparent, sondern auch ungerecht. Das Lobbyregister ist ein wichtiger Erfolg – ein kleiner Schritt hin zu mehr Transparenz in der Politik.
Campact setzt sich auch weiterhin entschlossen für mehr Offenheit und strengere Regeln ein, um sicherzustellen, dass demokratische Entscheidungen im Interesse der Allgemeinheit getroffen werden und Unternehmen keinen übergroßen Einfluss gewinnen.
Handels- und Finanzpolitik: Die Meilensteine
Nachhaltige Handels- und Finanzpolitik: Ansätze für eine gerechtere Zukunft
Eine progressive Handels- und Finanzpolitik kann echte Veränderung bewirken, wenn man sie gezielt umsetzt. Sie geht über theoretische Konzepte hinaus und packt die Ursachen von Umwelt- und sozialen Problemen direkt an. Auf politischer Ebene könnte eine nachhaltige Handels- und Finanzpolitik so aussehen:
- Handelsabkommen wie TTIP, CETA, EU-Mercosur & Co. müssen klare Regeln enthalten, die Umwelt- und Menschenrechtsverletzungen verhindern. Staaten und Organisationen müssen konsequent prüfen, ob diese eingehalten werden, und Verstöße sanktionieren.
- 800.000 Menschen in ganz Europa fordern: Unternehmen dürfen keine Staaten mehr verklagen, um nationale Umwelt- oder Sozialgesetze zu umgehen.
- Nachhaltigen Lieferketten, die faire Preise garantieren und lokale Produzent*innen unterstützen, müssen gefördert werden. Statt nur auf billige Rohstoffe zu setzen, sollten Handelsabkommen regionale Wirtschaftskreisläufe aufbauen und stabilisieren.
- Keine Insidertipps für Steuerbetrüger: Wenn Finanzbeamt*innen außerhalb ihrer Arbeitszeit die Reichsten bei der Steuervermeidung beraten, wie es in Deutschland bekannt wurde, ist das extrem ungerecht. Solche Praktiken untergraben das Vertrauen in den Staat und machen es noch schwerer, Steuergerechtigkeit zu erreichen.
- Ebenso dringend ist der Kampf gegen Steuertricks großer Unternehmen. Denn multinationale Konzerne nutzen legale Schlupflöcher, um ihre Gewinne in Steueroasen zu verschieben. So entgehen dem Staat dringend benötigte Mittel für Bildung, Gesundheit und Klimaschutz.
- Auch die angemessene Besteuerung von Milliardären würde das Steuersystem gerechter machen. Nachhaltige Handels- und Finanzpolitik bedeutet auch, soziale Ungleichheit aktiv zu bekämpfen und faire Steuerregeln für alle durchzusetzen.
- Eine EU-weite Finanztransaktionssteuer könnte den Finanzmarkt stabiler und fairer gestalten. Sie würde riskante Börsenspekulationen versteuern und verteuern und könnte so Einnahmen schaffen, die in nachhaltige Projekte fließen. Doch seit Jahren streiten die EU-Staaten um ihre Ausgestaltung. Nun liegen die Verhandlungen auf Eis.
- In Krisenzeiten gewinnen vor allem Konzerne – wie die Energiebranche nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges. Für Energie- und Stromkonzerne hat die EU daraufhin eine Steuer auf Extragewinne erlassen – ein Erfolg von Campact. Erfahre hier noch mehr über unsere aktuellen Erfolge.
Eine gerechte, nachhaltige und progressive Handels- und Finanzpolitik schützt nicht nur die Umwelt, sondern stärkt auch das Gemeinwohl. Sie sorgt dafür, dass alle ihren Beitrag leisten, und schafft damit die Basis für mehr soziale Gerechtigkeit.