Steuertricks stoppen

Konzerne wie Amazon, Google oder Facebook machen in Europa Riesengewinne – doch Steuern zahlen sie kaum. Den Staaten entgehen Milliarden. Eine Mehrheit in der EU will diese Steuertricks aufdecken. Über 200.000 Menschen unterzeichneten unseren Appell, den wir gemeinsam mit dem Netzwerk Steuergerechtigkeit und dem Corporate Europe Observatory gestartet haben. Der Appell ist mittlerweile beendet.

Mann Mit Maske hält bei einer Kundgebung mehrere 500-Euro-Scheine in der Hand
Campact Steuertransparenz-Gesetz für Konzerne kommt Portugal hat es geschafft: Unter seiner Präsidentschaft stimmte der Rat der EU für ein neues Steuertransparenz-Gesetz. Für Konzerne wie Amazon, Google und Co. könnte die Steuertrickserei nun bedeutend schwerer werden. Mehr erfahren

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5-Minuten-Info

Das internationale System der Unternehmensbesteuerung ist extrem veraltet. Multinationale Großkonzerne nutzen das aus: Sie eröffnen Tochtergesellschaften in Ländern, die kaum Unternehmenssteuern erheben – und verlagern ihre Gewinne dorthin. So zahlen sie viel weniger Steuern, als sie das in den Ländern tun würden, in denen sie ihre Gewinne tatsächlich erwirtschaftet haben.

Das Prinzip ist einfach: Die aus steuerlicher Sicht unabhängige Tochter im Land mit den niedrigen Steuern macht einen Vertrag mit der Tochtergesellschaft im Land mit den normalen Steuern. Dieser Vertrag regelt die Preise für konzerninterne Leistungen – Kredite, Patente, Lizenzen – so, dass im Land mit normalen Steuern hohe Kosten anfallen und im Niedrigsteuerland hohe Gewinne entstehen.

Konzerninterne Kredite sind der beliebteste Trick zur Steuervermeidung. Eine Tochtergesellschaft im Land mit normalen Steuersätzen bekommt von einer Schwestergesellschaft oder dem Mutterkonzern in einem Niedrigsteuerland einen Kredit. Die Zinszahlungen für den Kredit können im Land mit den normalen Steuern vom Gewinn abgezogen werden und landen als Gewinn im Niedrigsteuerland, wo weniger oder gar keine Steuern darauf fällig werden. Weil das so häufig missbraucht wird, gibt es eine Grenze für marktübliche Zinsen und seit einigen Jahren sogar eine Zinsschranke. Trotzdem: Konzerne schaffen es, diese Schranke zu umgehen.

Auch mit Patent- oder Lizenzgebühren verschieben Konzerne Gewinne in Niedrigsteuerländer. Zum Beispiel: Ein Konzern wie Ikea oder Starbucks kassiert von Tochterfirmen oder Franchisenehmer*innen eine Gebühr für die Nutzung des Namens oder des Konzeptes. Die Gebühren setzt das Tochterunternehmen dann als Betriebsausgabe von der Steuer ab. Das Geld fließt nun in Länder, wo auf Einnahmen aus Lizenzgebühren nur minimale Steuern fällig sind. Irland etwa lockt mit einem Steuersatz von nur 6,25 Prozent auf Patent- oder Lizenzgebühren.

Es geht um riesige Summen: Apple etwa hat jahrelang Gewinne aus ganz Europa über Tochterfirmen nach Irland verschoben und dort teilweise nur 0,005 Prozent Steuern bezahlt – das sind 50 Euro Steuern auf eine Million Euro Gewinn. So entgehen den EU-Staaten durch legale Tricks von Einzelpersonen und Konzernen jedes Jahr bis zu 70 Milliarden Euro. Deutschland allein gehen bis zu 30 Milliarden Euro verloren. Zum Vergleich: In Deutschland fehlen derzeit über 300.000 Kita-Plätze. Mit drei Milliarden Euro könnten diese geschaffen werden.

Konzerne mit Firmenzentrale in Deutschland sind nicht besser als Google und Co.: 2016 kam heraus, dass der Chemiekonzern BASF mit Tricks 923 Millionen Euro Steuern vermieden hat. Das „Netzwerk für Steuergerechtigkeit“ hat im Auftrag von Campact, der Bürgerbewegung Finanzwende und dem Münchner Umweltinstitut die Steuertricks der Lufthansa untersucht. Fast alle Dax-Unternehmen machen bei den Steuertricks mit – das zeigt eine Studie im Auftrag der Linken im Bundestag. Sogar bei mittelständischen Unternehmer*innen gibt es schwarze Schafe – etwa bei Vorwerk.

Auf EU-Ebene gibt es eine Gesetzesinitiative gegen die Steuervermeidung großer Konzerne: Öffentliches (public) Country-by-Country-Reporting (pCbCR) würde sie dazu zwingen, für jedes Land in dem sie aktiv sind, Umsätze, Personal, Gewinne und Steuerzahlungen zu veröffentlichen. Wenn Konzerne im großen Stil Gewinne verschieben und Steuern vermeiden, wird das so für alle sichtbar.

Die öffentliche länderbezogene Berichterstattung der Unternehmen würde Transparenz darüber schaffen, welches Unternehmen in welchen Ländern wie viel Steuern zahlt. Dadurch ließe sich einschätzen, ob diese Steuerzahlungen angemessen sind im Verhältnis zu den wirtschaftlichen Aktivitäten. So wüchse der Druck auf Konzerne, ihre Steuern in den Ländern zu zahlen, in denen sie ihre Gewinne tatsächlich erwirtschaften.

Für die Banken gelten derartige öffentliche Berichtspflichten in der EU seit 2013. Auch Rohstoffunternehmen aus der EU und den USA müssen länderspezifische Informationen veröffentlichen. Auch wenn es noch viel Verbesserungspotenzial gibt – erste Effekte sind sichtbar. Die Steuerzahlungen der betroffenen Banken sind gestiegen.

Seit den 1970ern versucht die Zivilgesellschaft, ein wirksames pCbCR zu etablieren. Einflussreiche Unternehmen und Lobbyist*innen haben das bisher verhindern können, allen voran die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften Deloitte, Ernst & Young, KPMG und PwC. Auch deutsche Konzerne machen bei der Bundesregierung gegen Steuertransparenz Druck. Auf EU-Ebene gab es zuletzt 2019 den Versuch, öffentliches CbCR umzusetzen. Dafür gab es jedoch keine Mehrheit – auch weil das deutsche Wirtschaftsministerium die Zustimmung blockierte. 

Durch den Regierungswechsel in Österreich haben sich die Mehrheiten im Rat der Europäischen Union verschoben: Selbst mit einer erneuten Enthaltung Deutschlands könnte das öffentliche CbCR auf den Weg gebracht werden. Den entsprechenden Gesetzesentwurf gibt es schon, er wartet nur noch auf die Abstimmung. Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) hat sich öffentlich für das Gesetz ausgesprochen. Durch die Ratspräsidentschaft Deutschlands hat sie gerade die Macht, die Initiative auf die Tagesordnung des EU-Rates und damit zur Abstimmung zu bringen.

Das Land, das die EU-Ratspräsidentschaft innehat, enthält sich traditionell bei Abstimmungen im Ministerrat. Da sich Deutschland bei der Frage aufgrund der unterschiedlichen Auffassungen von CDU/CSU und SPD ohnehin enthält, ginge unter der Deutschen Ratspräsidentschaft keine Stimme verloren. Ab dem 1. Januar 2021 übernimmt dann Portugal für sechs Monate die Ratspräsidentschaft; das Land würde eigentlich für pCbCR abstimmen. Doch durch seine Rolle als Ratspräsident müsste sich Portugal enthalten – es käme keine Mehrheit für den Gesetzesentwurf zustande. Nach Portugals Ratspräsidentschaft sieht es auch nicht besser aus: Slowenien, das gegen pCbCR ist, wird Ratspräsident und würde das Anliegen nicht einmal auf die Tagesordnung setzen. So würde sich die Abstimmung in Zukunft weiter verschleppen, bis eines der Mitgliedsländer (z.B. durch Neuwahlen) seine Haltung zu pCbCR ändert und sich damit neue Mehrheitsverhältnisse im Ministerrat ergeben.

„Public Country-by-Country Reporting: Deutschland ist am Zug“, Transparency International, 9. Oktober 2020 
„Im Schatten der Konzerne“, Die Zeit, 10. September 2020 
„Öffentliche länderbezogene Berichterstattung – gut für Steuergerechtigkeit, kein Schaden für die heimische Wirtschaft“, Netzwerk Steuergerechtigkeit, Mai 2019 
„Geheimniskrämerei: Der Kampf der deutschen Unternehmen gegen die Steuertransparenz“, Lobbycontrol, CEO, Netzwerk Steuergerechtigkeit, Juni 2020 
„Die Heuchelei der Europäer“, Deutschlandfunk, 11. November 2017 
„EU-Gericht kippt Mega-Steuernachforderung für Apple in Irland“, Merkur, 25. August 2020 
„Der Kampf gegen aggressive Steuervermeidung hat begonnen – aber der Weg ist noch lang“, Netzwerk Steuergerechtigkeit, September 2016 
„Winning the fight for tax justice – how do we make multinationals pay?“, Tax Justice Network, 28. Oktober 2020

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